Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 88/97 vom 21.10.1997

BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit "Bergrecht-Ost"

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat fünf Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit dem DDR-Bergrecht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerden richteten sich gegen die - von der Rechtslage in den alten Bundesländern abweichende - Regelung des Einigungsvertrags (EV), nach der Kiese und Kiessande im Beitrittsgebiet nicht Eigentum des Grundstückseigentümers sind.

  1. Nach dem Bundesberggesetz (der Bundesrepublik Deutschland) von 1980 (BBergG) stehen Bodenschätze grundsätzlich im Eigentum des Grundeigentümers. Ausgenommen hiervon sind sogenannte bergfreie Bodenschätze, wie z.B. Gold, Platin und Quecksilber

  2. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Grundstücken, die in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt jeweils in einem Bergwerksfeld gelegen sind. Die Beschwerdeführer wendeten sich zum Teil unmittelbar gegen die entsprechenden Rechtsvorschriften (BergG/DDR, Verordnung von 1990, EV, "Vereinheitlichungsgesetz") sowie gegen auf dieser Grundlage ergangene gerichtliche Entscheidungen.

  3. Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Das BergG/DDR sowie die Verordnung von 1990 können nicht am Maßstab des GG gemessen werden, da dieses im Beitrittsgebiet erst am 3. Oktober 1990 in Kraft getreten ist. Soweit die angegriffenen Vorschriften Eigentumsbeeinträchtigungen enthalten sollten, können diese deshalb nicht dem Verantwortungsbereich der dem GG verpflichteten Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden.

  2. Die angegriffenen Regelungen im EV sowie die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    • Die Regelung im EV verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.

      Dies kann mit dem Bundesverwaltungsgericht damit begründet werden, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EV eine vermögenswerte Rechtsposition, in die hätte eingegriffen werden können, nicht mehr bestanden hat. Das Gericht hat nachvollziehbar dargelegt, daß die Veränderung des Eigentumsinhalts bereits mit der Verordnung vom August 1990 vollzogen worden ist, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EV eine eigentumskräftige Rechtsposition also nicht mehr bestanden hat.
    • Gegen die Regelung im EV bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

      Die - zeitlich beschränkte - unterschiedliche Behandlung der Eigentümer von kies- und kiessandhaltigen Grundstücken im Beitrittsgebiet einerseits und in den alten Bundesländern andererseits ist durch gewichtige Gründe gerechtfertigt. Angesichts der Sondersituation der Wiedervereinigung und der Vielzahl der aus diesem Anlaß zu bewältigenden Aufgaben hatte der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er durfte eine Rangfolge und Dringlichkeit der anzugehenden Rechtsangleichung aufstellen und sein legislatives Verhalten daran ausrichten.

      Hinzu kommt die mit der angegriffenen Regelung verfolgte spezielle Zielsetzung. Die Regelung des EV sollte die Rohstoffversorgung der - für den Aufbau Ost als besonders bedeutsam erachteten - ostdeutschen Bauindustrie sichern. Für den Straßen- und Wohnungsbau wurde mit einem erheblichen Bedarf insbesondere an Kiesen und Sanden gerechnet. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers hätte dieser Bedarf insbesondere wegen der zahlreichen ungeklärten Eigentumsverhältnisse im Beitrittsgebiet nicht in der gebotenen Zeit und nur mit erheblichen Nachteilen befriedigt werden können, wenn die genannten Bodenschätze dem Grundeigentum zugeordnet worden wären.
  3. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind auch die angegriffenen Regelungen des "Vereinheitlichungsgesetzes" vom April 1996.

    • Es ist mit Blick auf die Eigentumsgarantie nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber die Sonderregelung des EV nicht rückwirkend aufgehoben hat und für die Fälle, in denen Dritte von einer ihnen seitens des Staates erteilten Bergbauberechtigung bereits Gebrauch gemacht haben, diese aus Gründen des Bestandsschutzes fortgelten läßt. Es hält sich im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit, wenn dieser, nachdem er im Einklang mit der Verfassung den Zugang zu solchen Berechtigungen eröffnet hat, die Möglichkeit ihrer weiteren Ausnutzung so lange offenhält, bis die Berechtigungen erlöschen oder aufgehoben werden.

    • Die angegriffenen Vorschriften des "Vereinheitlichungsgesetzes" verstoßen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

      Zwar bedeutet die Übergangsregelung in diesem Gesetz, daß ostdeutsche Grundstückseigentümer, die aufgrund fortbestehender Bergbauberechtigungen nach wie vor nicht Eigentümer der Kiese und Kiessande unter ihrem Grundstück sind, in zweifacher Hinsicht ungleich behandelt werden. Zum einen bleibt für sie die Verschiedenbehandlung gegenüber Grundstückseigentümern in den alten Bundesländern aufrechterhalten; zum andern führt die Regelung zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Grundeigentümern im Beitrittsgebiet, denen das Eigentum an Kies- und Kiessandvorkommen wieder zusteht. Dies ist jedoch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Besitzstandssicherung sachlich hinreichend gerechtfertigt.

Beschluß vom 24. September 1997 - 1 BvR 647/91 u.a.

Karlsruhe, den 21. Oktober 1997


Quelle: Juristisches Internetprojekt Saarbrücken (http://www.jura.uni-sb.de)