04.03.2021

Die Chemnitztalbahn (KBS 527)

Blick aus dem Gleisbett auf dem Markersdorf-Taura (2003)


Strecke von Chemnitz nach Leipzig - Eisenbahnviadukt in Chemnitz über der Blankenauer Straße (2004) Strecke von Chemnitz nach Leipzig - Eisenbahnviadukt in Chemnitz über der Blankenauer Straße (2004)


 
Die Anfänge

Bedingt durch die starke Industrialisierung der Gegend erfolgte die Anbindung der nördlichen Region des Chemnitzer Umlandes an die Bahn bereits im Jahre 1852 mit der Eröffnung der Riesa - Chemnitzer Eisenbahn. Davon war das bis dahin eher unbedeutende Chemnitztal jedoch nur in geringem Maße betroffen. Erst als man einen Communikationsweg von Markersdorf nach Göritzhain anlegte, begann die verkehrstechnische Bedeutung des Tales zu wachsen und dessen Erschließung nahm ihren Anfang. Diese Verbindung der beiden Orte war notwendig geworden, um die für den Bau der Göhrener Brücke benötigten Steinquader zur Baustelle schaffen zu können. Die Elbsteine wurden mit Pferdegespannen vom Bahnhof Altmittweida dorthin angeliefert. Ein erheblicher Anteil des verwendeten Steinmaterials kam außerdem aus den Steinbrüchen in Markersdorf und Diethensdorf. Im Frühjahr 1869 wurde mit dem Bau der 67 Meter hohen und 417 Meter langen (laut Buch zur Eröffnung der Chemnitztalbahn sogar 475m lang und 78 hoch) Göhrener Brücke begonnen. Noch heute ist diese Brücke ein beliebtes Fotomotiv und eine häufig besuchte Sehenswürdigkeit der Region. Entlang des Chemnitzflusses entstanden im 19. Jahrhundert viele Fabriken, welche sich die Wasserkraft zu Nutze machten. Die so stetig ansteigende Industrie verlangte nach geeigneten Transportwegen um die produzierten Waren in die naheliegenden, größeren Städte zu bringen.

Zeichnung der Göhrener Brücke Zeichnung der Göhrener Brücke


 
Die Bahnstrecke Chemnitz - Leipzig

Als am 08. April 1872 die Bahnlinie Chemnitz - Leipzig eröffnet wurde, hatte man das Chemnitztal mit seinen kleinen Orten rechts liegen gelassen, nur mit Burgstädt, Cossen und Wittgensdorf fanden sich in der Nähe Bahnhöfe. Die Erschließung des Chemnitztals mit seinen Industrieanlagen war beim Bau zwar beachtet worden, denn die Trasse führte über das nahe liegende Burgstädt und nicht, wie ebenfalls in Betracht gezogen, über Limbach. Trotzdem war diese Lösung für die aufstrebenden Orte des Chemnitztales nicht gerade optimal. Nun befand sich also parallel zum Tal, in geringer Entfernung, die Strecke von Chemnitz nach Leipzig. Zu den Bahnhöfen auf dem Höhenzug benötigte man teilweise nur eine gute halbe Stunde, was zu damaliger Zeit nicht viel war. Das Problem, dabei musste eine Steigung von mehr als 100m überwunden werden. Also auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Besitzer der Fabriken und der Mühlen im Chemnitztal machten sich daher für eine Parallelbahn stark. Sie befürchteten sonst wirtschaftliche Nachteile, da bislang die Waren auf schwer passierbaren Wegen zu den Bahnhöfen nach Burgstädt oder Mittweida gebracht werden mussten. Das war uneffektiv und teuer. Schon bei der Einweihung der Chemnitztalstraße von Göritzhain bis Furth am 27.07.1880 wurde der Wunsch nach einer Bahnlinie durch das Chemnitztal zum Ausdruck gebracht und man war entschlossen, eine parallele Strecke zur Verbindung Chemnitz - Leipzig zu realisieren. So wurde bereits zum Festumzug eine Attrappe der zukünftigen Bahn mitgeführt. Außerdem eröffnete der Finanzminister Könneritz, er hoffe das Tal nochmals mit Dampf durchfahren zu können.

Obelisk auf dem König Albert Felsen in Markersdorf, der anlässlich der Eröffnung der Chemnitztalstraße im Jahre 1880 errichtet wurde Obelisk auf dem König Albert Felsen in Markersdorf, der anlässlich der Eröffnung der Chemnitztalstraße im Jahre 1880 errichtet wurde


 
Die erste Niederlage

Schon nach kurzer Zeit fand am 18.12.1881 die erste Beratung der Interessenten für den Bau einer Chemnitztalbahn statt. In jener Versammlung wurde ein Komitee für die Planung und Ausführung einer künftigen Bahnlinie gegründet. Diese Komitee setzte sich aus folgenden Männern zusammen: Fabrikbesitzer G. F. Grosser, Markersdorf (Vorsitzender); Fabrikbesitzer Hertel, Stein ; Commerzienrat Kressner, Schweizerthal; Fabrikbesitzer (später Commerzienrat) Carl Voigtländer-Tetzner, Schweizerthal; Fabrikbesitzer Hofmann, Wittgensdorf; Fabrikbesitzer Scheerer, Göritzhain; Mühlenbesitzer Frank, Diethensdorf; Gemeindevorstand Weigelt, Furth, Gemeindevorstand Richter, Wiederau, Gemeindevorstand (später Bürgermeister in Wolkenstein) Steinbach, Wittgensdorf und Pastor Meusel, Claußnitz In der Landtagsperiode 1892/93 trat das Komitee erstmals mit einer Petition für den Bau einer schmalspurigen Eisenbahn durch das Chemnitztal an die sächsische Staatsregierung heran. Jedoch lehnte der Landtag in Dresden ebenso wie die II. Ständekammer im Jahre 1893 den von der Staatsregierung vorgelegten Antrag ab. Diese Ablehnung ist einmalig in der sächsischen Eisenbahngeschichte. Die Vertreter der Stände favorisierten vielmehr das sogenannte Querbahnprojekt, welches eine Bahnlinie von Limbach über Burgstädt nach Mittweida, mit einer Nebenstrecke von Markersdorf nach Wechselburg vorsah. Sie hofften so, auch den Interessen des Chemnitztales Genüge zu tun. Mit der Querverbindung sollten Transporte aus dem Zwickauer Bergbaugebiet zum Riesaer Elbhafen beschleunigt werden. Dabei würden zum einen der Chemnitzer Bahnhofs und das Stadtgebiet umfahren und zum anderen wäre die Erweiterung des Chemnitzer Bahnhofs nicht notwendig. Außerdem war der geplante Bau einer Chemnitztalbahn den umliegenden Städten wie Burgstädt oder auch Mittweida ein Dorn im Auge. Zum einen befürchtete man dort wirtschaftliche Konkurrenz, zum anderen wurde um das Gegenprojekt "Querbahn" gebangt, welches bei einer Entscheidung für die Chemnitztalbahn weniger Aussichten hätte, realisiert zu werden.

Nach den ersten Rückschlägen mussten die Weichen für den Bau der Chemnitztalbahn neu gestellt werden Nach den ersten Rückschlägen mussten die Weichen für den Bau der Chemnitztalbahn neu gestellt werden


 
Der zweite Anlauf

Die veranschlagten Kosten für die 27,5 km lange Strecke waren extrem hoch und übertrafen bisherige Bahnprojekte bei weitem. Dessen ungeachtet beharrte das rührige Komitee trotz der 1893 erlittenen Niederlage auf seinem Standpunkt. Eine neue Petition wurde erarbeitet und einige Großindustrielle erboten sich, natürlich den eigenen Vorteil nicht aus den Augen verlierend, größere Summen zu den Baukosten beizutragen. In der Landtagsperiode 1895/96 kam erneut eine Vorlage für den Bau einer, diesmal normalspurigen, Eisenbahn den Ständekammern zur Vorlage. Einstimmig wurde diesmal für das Projekt gestimmt und die erste Hürde war genommen. Nach einem Kostenvoranschlag wurden 4,5 Millionen Mark für den Bau einer Chemnitztalbahn bewilligt (anderswo spricht man von 4 087 600 Markt, was pro km ca. 128 000 Mark bedeuten würde). Das die Herstellungskosten am Ende 8 Millionen, an anderer Stelle ist sogar von 10 Millionen die Rede, betragen würden konnte oder wollte zu diesem Zeitpunkt noch keiner vorhersehen. Eigentlich war in Sachsen zu dieser Zeit die Blüte der Planungs- und Bauzeit von großen Eisenbahnlinien schon vorbei. Auch der Bahnknoten Chemnitz hatte seinen Höhepunkt schon erreicht. Die Hoffnungen auf einen baldigen Baubeginn wurden durch das schwere Hochwasser 1897 wieder zunichte gemacht. Bereits fertigen Baupläne waren hinfällig und eine neue Projektierung wurde notwendig. Um die Gefährdung der Bahntrasse durch den Chemnitzfluß zu verringern, musste der Bahnkörper höher gelegt werden. Dazu wurden viele Kunstbauten (Brücken, Tunnel usw.) benötigt. Der Bahnbau verzögerte sich erneut.

Bahnbrücke im Chemnitztal am Ortseingang von Markersdorf Bahnbrücke im Chemnitztal am Ortseingang von Markersdorf


 
Die Kosten steigen

Waren im außerordentlichen Staatshaushaltsetat von 1898/99 schon 5.334.500 Reichsmark genehmigt worden, reichte diese Summe letztendlich doch nicht aus. Nachforderungen von 2.695.500 Reichsmark waren vonnöten um den Bau zu ermöglichen. Mit diesen immensen Kosten ist die Chemnitztalbahn eine der teuersten sächsischen Nebenbahnen. Wäre das bereits vor Baubeginn bekannt gewesen, würden die Bewohner des Chemnitztals sicherlich noch heute auf ihre Bahnstrecke warten. Anzumerken sei außerdem, dass die Etatüberschreitung zu einem Eklat im sächsischen Landtag führte: Fünf Staatsminister reichten ihr Rücktrittsgesuch bei König Albert ein. Am Ende kostete es aber nur dem sächsischen Finanzminister Werner von Watzdorf den Posten. Ihm wurde schließlich im Februar 1902 die Entlassung aus dem Staatsdienst bewilligt. Die Ursache der hohen Kosten war hauptsächlich auf die vorgefundenen Geländeschwierigkeiten zurückzuführen. Neben der Höherlegung des Bahnkörpers zum Schutze vor Hochwasser waren vor allem Dammbauten, Felssprengungen, Erdeinschnitte und 19 Überbrückungen auf nur 20 Kilometern Länge, sowie die 2 Tunnel durch massives Gestein die größten Kostenfresser.

Symbolischer Geldhaufen Nicht nur heute übersteigen die tatsächlichen Kosten die eigentlich geplanten Kosten bei Bauprojekten ;-)


 
Die Bauarbeiten beginnen

Nach 2 Jahrzehnten Planungen erfolgte im März 1900 endlich der 1. Spatenstich. Die Bauarbeiten sollten drei Sommer lang andauern. Im Schweizerthal mussten teilweise täglich mehrere Male 30 und mehr Sprengschüsse ausgelöst werden um dem widerspenstigem Gestein Herr zu werden. Der 125 Meter lange Tunnel bei Auerswalde wurde von der Firma C. A. Müller aus Chemnitz gebaut. Den zweiten, mit 222 Metern deutlich längeren Tunnel, errichtete die zu damaliger Zeit weithin bekannte Firma Seim & Riedel aus Freiberg. Allein für diesen Tunnel betrug die Bauzeit ein ganzes Jahr. Auch bei den Brücken teilten sich mehrere Firmen die Arbeit: Die Eisenkonstruktionen der Brücken stammen von den Jacobiwerken aus Meißen, Brücken aus Mauerwerk dagegen von der Firma Liebold & Co aus Langebrück. Insgesamt ca. 7000 m³ Sand aus den Sandlagern in Diethensdorf wurden für den Bau der Chemnitztalbahn verwendet. An jeder Haltestelle entstanden neue Gebäude. In Wechselburg wurde sogar das 25 Jahre alte, erst 1876 zur Eröffnung der Muldentalbahn fertiggestellte, Bahnhofsgebäude abgetragen und ein komplett neues errichtet. Ein großer Teil der einstigen Bahnanlagen existiert heute schon nicht mehr. So gab es auf allen Stationen (außer Chemnitz - Heinersdorf und Mohsdorf) mindestens 3 Gleise, eine Gleiswaage, Güterboden und Ladestraßen.

Teilansicht Bahnhofsgebäude Bahnhof Markersdorf-Taura (2004) Teilansicht Bahnhofsgebäude Bahnhof Markersdorf-Taura (2004)


 
Der große Tag

27 Monate nach Baubeginn war es dann soweit. Nach mehrmaligem Verschieben erfolgte die technische Revision der Chemnitztalbahn am Samstag den 22. Juni 1902. Um 9.40 Uhr verließ der Prüfzug die Stadt Chemnitz und traf um ca. 2 Uhr in Wechselburg ein. Unterwegs wurde an jeder Verkehrsstelle und an allen größeren Kunstbauten haltgemacht. An der Abnahme der Bahn beteiligten sich dann unter anderen der neue Finanzminister Dr. Rüger, der Generaldirektor der Staatsbahnen von Kirchbach, die Geheimräte Poppe und von Sendwitz, Eisenbahndirektor Weidner und Finanzrat Kreul. Alle Bauwerke und Anlagen der Bahn wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen, besondere Beachtung schenkte man den zahlreichen Brücken und den beiden Tunnel der Eisenbahnstrecke. Endlich war es soweit: Am 30.06.1902 wurde die neuerbaute Chemnitztalbahn eröffnet. Bahnfahren war zu dieser Zeit schon teuer, denn satte 10 Mark (damals ein ganzer Wochenlohn!) mussten für die Eröffnungsfahrt inclusive Festessen hingelegt werden. Um 9.25 Uhr begann in Chemnitz die Fahrt des Festzuges der schließlich 11.04 Uhr Wechselburg erreichte. Hier wurden die Teilnehmer mit einem Festessen verwöhnt. Nachdem sich alle gestärkt hatten, fuhr der Zug zurück nach Markersdorf-Taura, wo er um 13.20 Uhr eintraf. Schon unterwegs säumten viele Schaulustige den Weg der beiden Dampfrösser, die mit den 12 Wagen lustig durch das Tal schnauften. In Markersdorf angekommen begrüßte die Schuljugend mit musikalischer Unterstützung den Festzug. In packender Weise wurde ein eigens für die Bahnweihe selbst gedichtetes Lied vorgetragen. Festakt, offizielle Gedenkfeier und die Weihrede von Pastor Hertel fand im Etablissement Carolapark in Markersdorf statt. Zu den vielen Gästen zählten nicht nur Befürworter der Chemnitztalbahn, auch die Anhänger des Querbahnprojektes überbrachten Glückwünsche. So wurde in den Reden auch auf dieses Vorhaben eingegangen. In seiner Festrede forderte Commerzienrat Voigtländer-Tetzner die Anwesenden auf, diesen Tag als die Geburtsstunde der Querbahn zu betrachten. Heute ist natürlich bekannt, dass es nie zum Bau der sogenannten Querbahn kam. Verschiedene Wirtschaftlichkeitsstudien sowie die finanzielle Lage Sachsens verhinderten stets die Umsetzung des Projektes. Am Ende dieses unvergesslichen Tages wurden gegen 22.00 Uhr die Festteilnehmer mit zwei von Markersdorf-Taura aus startenden Zügen in ihre Heimatorte gebracht. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Der in diese Zeit fallende Tod des sächsischen Königs Albert dazu führte, dass alle Vertreter der königlichen Behörden den Feierlichkeiten fernbleiben mussten.


Bekanntmachung zur Übergabe der Chemnitztalbahn 1902

Bekanntmachung zur Übergabe der Chemnitztalbahn im Jahre 1902

 
Die ersten Züge rollen

Als normalspurige Nebenbahn für Personen- und Güterverkehr (WbC-Linie) wurde die 27,5 Kilometer lange Strecke der Chemnitztalbahn einen Tag später, am 01. Juli 1902, dem Verkehr übergeben. Jeder der täglich in beide Richtungen verkehrenden drei Züge machte an allen neun Stationen halt. Von Rochlitz aus startete morgens der erste Zug, am Abend wurde der letzte wieder nach Rochlitz zurückgeführt. Für den Streckenabschnitt Wechselburg - Rochlitz fanden dabei die Gleise der Muldentalbahn Verwendung. Das eher bescheidene Zugangebot stieß auf breites Unverständnis. Besonders enttäuscht zeigte man sich in Rochlitz. Hatten hier doch alle auf eine bessere Anbindung ihrer Stadt an Chemnitz gehofft. Zusätzliche Unzufriedenheit verursachten die langen Fahrzeiten von fast zwei Stunden für die gerade einmal 27,5 Kilometer Fahrtstrecke von Wechselburg nach Chemnitz. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade einmal 16 km/h konnten zwar die Schönheiten der Strecke bewundert werden, doch eilige Zeitgenossen witzelten schon mal über den „Chemnitztalexpress“. Mit dem Bau der Bahnverbindung Chemnitz - Wechselburg wurde der Zenit in der Entwicklung des Chemnitztales erreicht. Insgesamt 22 Jahre lang hatten die Befürworter um die Verwirklichung des Traumes von einer Eisenbahn im Chemnitztal gekämpft. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung und einer gehörigen Portion Ausdauer war das angestrebte Ziel erreicht worden, das industriell aufstrebende Tal sowohl wirtschaftlich als auch für den Ausflugsverkehr zu erschließen.

Im Hauptbahnhof Chemnitz 1998 Im Hauptbahnhof Chemnitz 1998


 
Hauptbahnhof - Küchwald - Glösa

Die Chemnitztalbahn ist die direkte Verbindung von Chemnitz über Chemnitz-Glösa, dem größten Zwischenbahnhof Markersdorf-Taura nach Wechselburg. Die Trasse windet sich zusammen mit dem Fluss Chemnitz durch das gleichnamige Tal. Streckenbeginn (km 27,0) ist der Hauptbahnhof in Chemnitz, der mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Chemnitz nach Leipzig auf die heute bekannte Größe erweitert wurde. Im Krieg wurde er durch Bombardierungen stark in Mitleidenschaft gezogen. Fortschreitende Korrosion an der stählernen Hallenkonstruktion erzwang 1972 die Demontage. In der Folgezeit entstand dann die heutige Bahnhofshalle, die Anfang der 90er Jahre gründlich saniert wurde. Die ersten Kilometer bis zum Bahnhof Küchwald (km 23,8) wird die Strecke Chemnitz - Leipzig benutzt. Beim Bau der Chemnitztalbahn wurde der Bahnhof Küchwald grundlegend umgebaut. Als Vorbahnhof des Hilbersdorfer Güterbahnhofes ist er ein Knotenpunkt, der die Strecken nach Leipzig, Chemnitz-Altendorf, Wechselburg auf der einen Seite und nach Hilbersdorf und dem Hauptbahnhof auf der anderen Seite verbindet. Zusätzlich verfügt der Bahnhof über Anschlussgleise für das Heizkraftwerk Nord (Kohlezufuhr aus dem Revier Borna bei Leipzig) und für die Stahlgießerei Chemnitz-Borna. Beim Verlassen des Bahnhofes fällt das seit 1992 in Betrieb befindliche Zentralgleisbildstellwerk auf der rechten Seite ins Auge. Danach windet sich die Strecke in einer großen S-Kurve dem Bahnhof Glösa entgegen. Zwischen Küchwald und Glösa befindet sich mit einer Neigung von 18,2% (1:55) das steilste Stück der Streckenführung. Am Bahnhof Glösa (km 21,7) befindet sich das ehemalige VEB Numerik (heute Siemens), für dessen Berufsverkehr ein zweiter Bahnsteig gebaut wurde. An der Ausfahrt des Bahnhofs unterquert man die Autobahn A4. Die Brücke ist inzwischen dreispurig neuerbaut worden. Nach kurzer Geruchsbelästigung durch die Kläranlage Chemnitz-Heinersdorf überquert die Bahn eine Verbindungsstraße zwischen den Stadtteilen Draisdorf und Heinersdorf. Unmittelbar nach dieser Straße befand sich der Haltepunkt Chemnitz-Heinersdorf (km 20,0), der aufgrund des fehlenden Bedarfs schließlich am 25.09.1977 aufgehoben wurde. Mit dem Kilometer 19,5 wird die Grenze zwischen den Bahnmeistereien Chemnitz Hbf und Döbeln überfahren.

Auf Gleis 4 steht Bereit der "Chemnitztalexpress" nach Rochlitz über Wechselburg (1998) Auf Gleis 4 steht Bereit der "Chemnitztalexpress" nach Rochlitz über Wechselburg (1998)


 
Wittgensdorf - Auerswalde/Köthensdorf

Nächster Haltepunkt ist Wittgensdorf Unterer Bahnhof (km 18,7). Wie bereits dem Namen zu entnehmen, besitzt der Ort noch weitere Bahnhöfe, die beide an der Strecke Chemnitz - Leipzig liegen. Der Wittgensdorfer Bahnhof hatte neben dem Personen- auch noch große Bedeutung für den Güterverkehr. Die Diamantschwarzfärberei Louis Hermsdorf erbrachte den größten Güterumschlag. In Glanzzeiten hatte die Färberei bis zu 1000 Beschäftigte und sogar einen Gleisanschluss mit größeren Gleisanlagen einschließlich einer Drehscheibe auf dem Firmengelände. Der ständige Produktionsrückgang und die folgende Schließung führten dazu, dass der Bahnhof Wittgensdorf als erster der Chemnitztalbahn in einen Haltepunkt mit Anschluss umgewandelt wurde.

Wittgensdorf - Unterer Bahnhof Teilansicht Bahnhofsgebäude (1998) Station Wittgensdorf - Unterer Bahnhof


Mit dem Bahnhof Wittgensdorf im Rücken wird die Fahrt besonders reizvoll, denn hier beginnt schon die Chemnitztalromantik. Nach der ersten Tunneldurchfahrt, die Chemnitz macht hier einen weiten Bogen in dessen Verlauf sich ein Sumpfgebiet befindet, wird der Haltepunkt Auerswalde-Köthensdorf (km 16,2) erreicht. Von hier aus kann bei einem Ausflug zum Felsen "Schusterstein" gewandert werden. Verlässt man den Bahnhof Auerswalde-Köthensdorf, wird eine besonders enge Stelle der Trassenführung durchfahren. Steile Felswände säumen hier die Strecke. Nur wenig später überquert der Schienenweg die Straße, welche nach Köthensdorf führt. Rechts befindet sich die Trikotagenfabrik "Doppelmoppel" und nicht weit entfernt, auf der linken Seite steht das Umspannwerk Köthensdorf.

Fabrikgebäude Doppelmoppel Köthensdorf (2016) Fabrikgebäude Doppelmoppel Köthensdorf (2016)


Unmittelbar nach dem Umspannwerk befand sich rechts der Anschluss an Hempels Steinbruch. Auf der anderen Flußseite neben der Chemnitztalstraße kann man heute noch das inzwischen zugewachsene Gelände des Steinbruchs erkennen. Interessant: Mittels einer Art Schwebebahn wurden die Steine über die Straße und die Chemnitz zur Bahnverladestelle befördert. Einzig ein Mastfundament ist davon auf der linken Seite noch übrig.

Umspannwerk Köthensdorf (1998) Umspannwerk Köthensdorf (1998)


 
Markersdorf/Taura - Schweizerthal/Diethensdorf - Mohsdorf

Im Sommer kaum noch zu sehen, da von Bäumen inzwischen fast vollständig zugewachsen wird nun der König Albert Felsen passiert. An dieser Stelle liegen Chemnitztalstraße, Fluss und Eisenbahn unmittelbar nebeneinander. Direkt neben dem Bahngleis verläuft nun die Chemnitztalstraße sowie die Siedlung "Kolonie" in Markersdorf. Die inzwischen rekonstruierten Gebäude wurden 1910 bzw. 1921 im Auftrag des Fabrikbesitzers Grosser aus Markersdorf für seine Arbeiter und Angestellten errichtet. Der Siedlung folgen auf der rechten Seite nochmals zwei Steinbrüche, die früher ebenfalls ein Anschlussgleis aufweisen konnten. Bei der Einfahrt in den Bahnhof Markersdorf-Taura (km 11,8) unterquert man die Landstraße, die Burgstädt und Mittweida verbindet. Ursprünglich verlief die Straße geradewegs über das heutige Bahnhofsgelände. Beim Bau der Chemnitztalbahn wurde die etwas eigenwillige Straßenführung errichtet, die im Volksmund als "Bahn-Nase" oder einfach nur als "Nase" bezeichnet wird.

Station Markersdorf-Taura Teilansicht Bahnhofsgebäude (1998) Station Markersdorf-Taura (1998)


Nach dem Halt in Markersdorf führt die Strecke durch das wildromantische Schweizerthal. Endlich erfährt der Reisende weshalb der Fluss Chemnitz (abgeleitet von Caminica – sorb. für Steinfluss) genannt wird. Angefüllt mit einer unüberschaubaren Menge von Felsbrocken kämpft sich hier der Fluss voran. Am anderen Ufer der Chemnitz ist der Ort Schweizerthal mit seinen großen Fabrikgebäuden der ehemaligen Baumwollspinnerei zu sehen. Kaum hat man den nächste Haltepunkt Diethensdorf-Schweizerthal (km 10,1), hinter sich gelassen, führt der Schienenweg durch den zweiten, mit 222 m längeren Tunnel der Strecke. Genau wie schon am Auerswalder Tunnel, überquert die Bahn auch hier unmittelbar vor und hinter dem Tunnel die Chemnitz. Der Steinbruch der Westsächsischen Steinwerke GmbH, ein weiterer Beweis, dass die Region im wahrsten Sinne des Wortes "steinreich" ist, befindet sich hier direkt neben der Strecke. Einige wenige Überreste des ehemals vorhandenen Gleisanschlusses sind bei näherer Betrachtung noch erkennbar. Über etwas größere Anschlussanlagen verfügte auch das Werk Mohsdorf der Fettchemie GmbH Chemnitz. Bedient wurde dieser Anschluss vom Bahnhof Markersdorf-Taura aus. Der Haltepunkt Mohsdorf (km 8,5) wird passiert und auch die heute nicht mehr vorhandenen Gleisanschlüsse für das Granulitwerk Josef Dorfner (Stein) sowie der Pappenfabrik Weber lässt man hinter sich, ehe man dem nächsten Haltepunkt Stein/Chemnitztal näherkommt.

Tunneleinfahrt Diethensdorf (2003) Tunneleinfahrt Diethensdorf (2003)


 
Stein (Chemnitztal) - Göritzhain - Wechselburg

Neben dem Reiseverkehr besaß die Haltestelle Stein (km 5,7) einst auch große Bedeutung für die Industrie, was aus den umfangreichen Gleisanlagen alter Lagepläne hervorgeht. Heute kann man sich nur schwer vorstellen, dass sich auf dem nun folgenden Bahnhof Göritzhain (km 4,1), ebenso wie auf den anderen Unterwegsbahnhöfen, ein reges Treiben und Handeln abgespielt hat. In Göritzhain gab es früher eine Reihe von Papierfabriken, die der Eisenbahn ebenso wie die Landwirtschaft einiges an Transportaufkommen bescherten. Doch schon seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen hier die Verkehrsleistungen rückläufig zu werden. Die Streckenführung der Chemnitztalbahn verläuft zum großen Teil parallel zur Bahnlinie Chemnitz- Leipzig. Vom Bahnhof Göritzhain beträgt der Abstand zu dieser Strecke nur rund 1000 Meter Luftlinie.

Bahnhofsgebäude Göritzhain Teilansicht (1998)

Station Göritzhain (1998)

Dem Haltepunkt schließt sich das Landschaftsschutzgebiet "Unteres Chemnitztal" an. Noch zweimal wird der Fluss überquert (insgesamt somit 16-mal) und schließlich die 1876 in Betrieb genommene Strecke der Muldentalbahn erreicht. Schaut man etwas weiter hinauf ins Muldental, kann man das Bauwerk der Göhrener Brücke sehen, deren Entstehung die verkehrstechnische Erschließung des Chemnitztals maßgeblich vorangetrieben hat. Bis zum Bahnhof Wechselburg (km 0,0) führt die Trasse nun parallel zur Muldentalbahn. In Wechselburg begannen im März 1900 die Bauarbeiten für die Chemnitztalbahn. Von 1900 bis 1902 wurde der schon seit Inbetriebnahme der Muldentalbahn vorhandene Bahnhof erheblich erweitert und das Empfangsgebäude komplett neu errichtet. Zahlreiche Wanderwege um Wechselburg bis hin zur Göhrener Brücke, nach Rochlitz oder durchs romantische Silbertal laden hier zum Verweilen ein. Ein beliebtes Ausflugsziel ist zudem die in der UNO Denkmalliste stehende Basilika in Wechselburg.

Schild am Bahnsteig Markersdorf-Taura (1998) Wohin soll es den gehen ?
Schild am Bahnsteig Markersdorf-Taura (links im Bild der inzwischen abgerissene Schornstein der Fabrik am Bahnhof in Markersdorf 1998)


 
Die "Sandbahn"

Was wurde nicht alles mit der Chemnitztalbahn transportiert: Kohlen und Baustoffe wurden gebracht, Steine, Papier- und Textilwaren, Produkte aus Industrie und Landwirtschaft fanden den Weg in die weite Welt. Von den anliegenden Steinbrüchen, die auch den Schotter für den Bahnbau produziert hatten und aus den Sandgruben in Wechselburg, Biesern und Sermuth wurden Sand und Gestein in große Mengen nach Chemnitz befördert. Der Beiname "Sandbahn", den die Chemnitztalbahn damals erhielt, war nur die logische Folge. Auch anliegende Bahnhöfe wurden vom Volksmund mit Spitznamen belegt: Weil in Chemnitz – Glösa (Furth) die Kartoffeln aus den norddeutschen Anbaugebieten mit dem Zug ankamen und hier für die Verteilung in der Stadt Chemnitz zwischengelagert wurden, war bald nur noch vom "Kartoffelbahnhof" die Rede. Doch nicht nur Gütertransport hatte im Chemnitztal Einzug gehalten, auch Arbeiterinnen und Arbeiter erreichten so an Wochentagen die Arbeitsstellen und an den Wochenenden fuhren sie zur Erholung aufs Land. Den Service und die Bequemlichkeit bestimmte bereits auch damals der Geldbeutel und so gab es an verschiedenen Stationen der Strecke sogar Warteräume für die 2. und 3. Klasse. Zwar sagten wirtschaftliche Prognosen der Chemnitztalbahn schon in der damaligen Zeit keine große Zukunft voraus, letztendlich überstand sie aber die Weltwirtschaftskrise und zwei Weltkriege relativ unbeschadet. Die Ölkrise in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war der Grund dafür, daß die schon geplante Einstellung des Bahnbetriebes noch einmal abgewendet werden konnte.

Schienenweg Kurve Damals hatte die Chemnitztalbahn gerade nochmal "die Kurve gekriegt"


 
Der Krieg

Sicherlich, nicht immer konnte (insbesondere zu Zeiten des Krieges) der Fahrplan minutengenau eingehalten werden. Trotzdem verkehrten die Züge fast ununterbrochen. Lediglich gegen Ende des 2. Weltkrieges kam es zu Einschränkungen, da der Auerswalder Tunnel zu dieser Zeit als Luftschutzkeller diente. Auf der Strecke nach dem Bahnhof Markersdorf -Taura (genauer gesagt: in Höhe Schweizerthal eng an den Felswänden versteckt) hatte man ebenfalls zum Ende des 2. Weltkrieges einen mit Munition beladenen Güterzug abgestellt. Auf diesen Zug wurden mehrfach Angriffe durch amerikanische Truppen geflogen. Laut der Broschüre, die zum 90jährigen Bestehen der Chemnitztalbahn herausgebracht wurde, soll der Zug dabei zur Explosion gebracht worden sein. Meine Urgroßeltern erzählten dagegen, dass der Munitionszug zwar beschossen und mit Bomben beworfen, aber nicht getroffen wurde. Nach Ihrer Aussage wäre bei einem Treffer halb Markersdorf ausgelöscht worden. In der Festschrift zur 500 Jahrfeier von Markersdorf wird ebenfalls von Angriffen auf diesen Zug berichtet, letztendlich soll dieser jedoch später im Voigtländer Wald gesprengt worden sein.

Hier soll im Krieg eng an der Felswand, ein mit Munition beladener Güterzug abgestellt worden sein (Foto 2020) Hier soll im Krieg eng an der Felswand, ein mit Munition beladener Güterzug abgestellt worden sein (Foto 2020)


 
Die Zeit vergeht

Bis zum Ende der 50er Jahre wurden auf der Strecke noch die alten Personenwagen mit ihren hochlehnigen Holzbänken, den zahlreichen Außentüren und den an Lederriemen herablassbaren Fenstern eingesetzt. Nach schweren Unwettern musste das Zugpersonal hin und wieder auch als Räumkommando körperlichen Einsatz zeigen, wenn die ins Gleis gestürzten Bäume beiseitegeschafft werden mussten. Säge und Axt zählten daher nach Wetterkapriolen oft zur Grundausrüstung des Personals. Im Jahre 1967 wurde das Zugmeldeverfahren zwischen den Bahnhöfen mittels Morsefernschreiber durch die telefonische Zugmeldung abgelöst. 1983/84 verkehrten auf der Strecke von Montag - Freitag noch immer sechs Züge täglich. Am 30.06.1987 feierte die Chemnitztalbahn ihr 85jähriges Bestehen. Im Laufe der Jahre wurde natürlich auf der Strecke ab und an gebaut, zwei Brücken wurden zum Beispiel ausgewechselt und einige überholt. Die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h blieb jedoch erhalten. Um die Sicherheit an den Bahnübergängen zu erhöhen wurden Halbschranken und Haltlichtanlagen installiert, denn immerhin kreuzt die Trasse der Chemnitztalbahn 10 x Straßen und 14 x Wald-, Feld-, und Wirtschaftswege. Am Bahnhof Glösa befindet sich die einzige Vollschrankenanlage, die vielen Autofahrern unangenehm in Erinnerung ist, da sich dort in den 90er Jahren zu Stoßzeiten häufig Stau bildete.

Blick ins "Fahrtenbuch" 1998

Blick ins "Fahrtenbuch" 1998

 
Der langsame Niedergang

Mit einem Sonderzug von Chemnitz nach Wechselburg und zurück beging die Strecke am 04. Juli 1992 ihr 90jähriges Jubiläum. Gezogen von einer alten Dampflok bewegte sich ein relativ neuer Wagenpark auf der Strecke. Personenwagen der Nachkriegszeit wären sicherlich eine bessere Wahl gewesen. Der Zug war gut besetzt und einige trugen die passenden Gewänder aus der Zeit der Jahrhundertwende. Neben der Dampflok waren diese Passagiere auch das beliebteste Fotomotiv bei jedem Halt des Sonderzuges. Die gesamte Strecke entlang begrüßten und fotografierten zahlreiche Schaulustige den schnaufenden und zischenden Sonderzug. Noch 1993 verkehrten die obligatorischen sechs Züge von Montag bis Freitag, bei einer durchschnittlichen Fahrzeit von ca. 50 Minuten von Chemnitz nach Wechselburg. Nach der Wende nahmen die Fahrgastzahlen stetig ab. Der Zusammenbruch der Industrie tat ein Übriges dazu. Zum einen waren die bis zu 5 Zugpaare nicht gerade attraktiv, zum anderen wollten viele Menschen ihre neugewonnene mobile Freiheit genießen. Fahrgäste suchte man am Ende vergebens in den Wagen. Oft waren Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter die einzigen Personen. Zuletzt befuhren dann ausschließlich Ferkeltaxen der Baureihe 772 die Trasse. Vorher waren auch die Baureihe 110 (DR) bzw. 202 (DB) im Einsatz.

Fahrkarten aus den Jahren 1993 und 1998


 
Das traurige Ende

So kam es wie es kommen musste: Am 23. Mai 1998 quietschte der fahrplanmäßige Zugverkehr das letzte mal durchs Chemnitztal. Einen Tag später, dem 24. Mai 1998, wurde die Strecke für den Personenverkehr stillgelegt. Obwohl kein schöner Anlass, bahnte sich an diesem Tag ein Dampfsonderzug den Weg von Chemnitz nach Wechselburg. Die letzte Sonderfahrt erfolgte mit der 628 580 schließlich am 17. April 1999. Allerdings war nur das Anschlussstücke Wechselburg - Mohsdorf seit dem 24. Mai 1998 komplett ohne Zugverkehr, denn bis Mohsdorf wurden noch eine Zeitlang Güter zur Anschlussstelle "Fettchemie" transportiert. Nach der Einstellung dieses dürftigen Güterverkehrs, kamen die Züge nur noch bis zum Bahnhof Chemnitz - Glösa. Natürlich konnte sich die Chemnitztalbahn am Ende nicht mehr selbst finanzieren. Trotzdem ist es schon traurig zu sehen, dass wirtschaftliche Belange oft zum Niedergang ganzer Regionen führen. Zwischenzeitlich plante man ja sogar das Chemnitztal wegzubaggern (siehe Thema Gesteinsabbau). Im Umgang mit der Natur hat die Menschheit seit ihrem Bestehen augenscheinlich nichts dazugelernt.

Video: Chemnitztalbahn 24.05.1998 - Dampfsonderzug von Chemnitz nach Wechselburg auf dem Bahnhof Markersdorf-Taura


Die Geschichte der Chemnitztalbahn endet am 11. Dezember 2001 mit der offiziellen Stilllegung der Strecke. Obwohl, ganz zu Ende ist die Geschichte noch nicht. Seit Anfang 2001 versuchten engagierte Eisenbahnfreunde und Enthusiasten eine Belebung der traditionsreichen und reizvolle Bahnstrecke zwischen Chemnitz und Wechselburg zu erreichen. Insbesondere dem Verein "Eisenbahnfreunde Chemnitztal e.V." engagierte sich massiv, um die Strecke vor dem Abbau retten und einer sinnvollen Nachnutzung zuzuführen. Geplant war schon 2002 ein Draisinenbetrieb: Mit Fahrraddraisine von Wittgensdorf (Unterer Bahnhof) wollte man bis Wechselburg fahren um die Strecke so touristisch zu nutzen. Leider kam eine Übernahme der kompletten Strecke von der Deutschen Bahn AG nicht zustande.

"S is Feierobnd" - Dampfsonderzug am 24.05.1998 am Bahnhof Markersdorf-Taura "S is Feierobnd" - Dampfsonderzug am 24.05.1998 am Bahnhof Markersdorf-Taura


 
Die Hoffnung bleibt

Im März 2002 sollte bei Göritzhain eine Hilfsbrücke abgerissen werden, welche die Deutsche Bahn AG gemietet hatte. Damit wäre wohl das Ende der historischen Strecke von Chemnitz nach Wechselburg über Markersdorf-Taura besiegelt gewesen. Die Bahn AG stoppte den Abriss jedoch vorerst. Grund: Für den Rückbau der Linie braucht die Eigentümerin eine Baugenehmigung des Eisenbahnbundesamtes (EBA). Diese war zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht erteilt. Trotzdem wurden bereits auf einer Länge von ca. 700 Metern die Gleise herausgerissen. Wie erwähnt machen sich die "Eisenbahnfreunde Chemnitztal" für den Erhalt der Strecke stark und haben Anfragen für eine Übernahmeangebot an die Deutsche Bahn AG nach Dresden gerichtet. Alle Anfragen blieben jedoch bislang (03/2002) unbeantwortet. Einen Schuppen auf dem Gelände des Bahnhofes Markersdorf-Taura haben die Eisenbahnfreunde bereits von der Bahn gemietet, dieser soll nach den Wünschen des Vereins einmal den Vereinssitz beherbergen. Von den Stadtwerken Chemnitz bekam der Verein eine Diesellok geschenkt, mit der wieder etwas Leben auf dem Bahnhof in Markersdorf einziehen könnte. Werden die Gleisanlagen nun doch zurückgebaut, so bedeutet dies, dass alle Bemühungen des Vereins, sich für die Strecke der Chemnitztalbahn einzusetzen umsonst waren. Makaber: Just zum 30. Juni 2002 hat die Bahn die Baugenehmigung für den Rückbau beim Eisenbahnbundesamt beantragt. An diesem Tag hätte die Chemnitztalbahn ihr 100jähriges Bestehen feiern können. Die Bahn selbst hält eine Übernahme der Strecke durch den Verein für illusorisch, da die gesamte Strecke nicht mehr befahrbar ist und unnötig hohe Summen nötig wären, um sie wieder instand zu setzen. Der Verein wäre hingegen froh wenn überhaupt einmal ein Übernahmeangebot von der Bahn kommen würde. (Quelle: nach einem Artikel der Freie Presse vom 18.03.02)

Gelände des Museumsbahnhof Markersdorf-Taura (2014) Gelände des Museumsbahnhof Markersdorf-Taura (2014)


 
Und es geht doch (etwas) weiter

Die Gebäude des Bahnhofsgeländes Markersdorf-Taura konnte Ende 2005 der Verein Eisenbahnfreunde Chemnitztal e.V. schließlich doch von der Deutschen Bahn ankaufen. Das Trassenband mit der Gleisanlage erwarb kurz darauf der kommunale Zweckverband "Chemnitztalradweg". Die denkmalgeschützten Anlagen auf dem einzigen erhaltenen Unterwegsbahnhof Markersdorf-Taura zu erhalten hat sich der 2001 gegründete Verein Eisenbahnfreunde Chemnitztal e.V. zur Aufgabe gemacht. Auch für den Erhalt der noch vorhandenen und eine Nutzung der ehemaligen Bahntrasse der als Chemnitztalradweg macht sich der Verein stark. Gerettet werden konnten so die Gleiskörper im Abschnitt vom Bahnhof Markersdorf-Taura bis zur Bahnstation in Diethensdorf. Hier wurden die inzwischen zugewucherten Gleise freigelegt, die Strecke überarbeitet und mit Hilfe von Spenden, Sponsoren und Fördermitteln u.a. die zwei Gitterkastenbrücken in Fachwerkform über die Chemnitz restauriert und für den Museumsbahnverkehr erschlossen. So ist es nun möglich einen Teil der wildromantischen Strecke der ehemaligen Chemnitztalbahn im offenen Aussichtswagen im Dieselbetrieb zu entdecken und genießen.

Museumsbahnhof Markersdorf-Taura (2021) Museumsbahnhof Markersdorf-Taura (2021)


Nicht verhindert werden konnte der Abriss der ersten Eisenbeton-Rahmenbrücke Sachsens in Hennebique-Bauweise, welche die Gleise der Chemnitztalbahn in Markersdorf überspannte und hier die eigenwillige Straßenführung (Bahnnase) notwendig machte. Die Brücke wurde trotz Protesten der Fachwelt 2010 abgerissen. Ob eine Brücke ohne eigentlichen Nutzungszweck allerdings so einfach als Baudenkmal in die Landschaft gepasst hätte? Auf dem Bahnhof Markersdorf-Taura sind dafür neben dem Empfangsgebäude ein Wirtschaftsgebäude und das Wasserstationsgebäude erhalten geblieben. Gegenüber finden sich an der Ladestraße die um 1930 errichtete Güterverwaltung sowie die Gleiswaage. Die plötzlich fehlende dreieckige Bahnhofsuhr sorgte 2002 kurzzeitig für Irritationen. Urheber war die Deutsche Bahn die nach der Verkehrseinstellung den Wasserkran und die original sächsische Bahnhofsuhr zum Schutz vor Diebstahl und Vandalismus abmontierte. Die Eisenbahnfreunde Chemnitztal e.V. konnten aber ab 2005 die Dreiecksuhr, Weichenlaternen und Signaltafeln wieder in Verwahrung nehmen.

Fehlende dreieckige Bahnhofsuhr am Bahnhofsgebäude (2003) Fehlende dreieckige Bahnhofsuhr am Bahnhofsgebäude (2003)


 
Der Chemnitztalradweg - Neues rollt auf altem Trassenverlauf

Die Gleiskörper der Chemnitztalbahn sind also inzwischen fast komplett abgebaut. Lediglich im Bereich zwischen dem Museumsbahnhof Markersdorf-Taura und Diethensdorf ist der Schienenstrang weiterhin in Verwendung und wird dort unterhalten und gepflegt. Doch bleibt auch die restliche Trasse nicht ungenutzt: Von der Stadt Chemnitz aus führt auf der Route der ehemaligen Chemnitztalbahn der 2017 bis Markersdorf eröffnete Chemnitztalradweg. War in der ersten Ausbaustufe bis Wittgensdorf, in der zweiten bis Markersdorf-Taura, in der dritten bis Diethensdorf ein befahren möglich, soll der Weg final bis nach Wechselburg führen.

Instandgesetzte Gitterkastenbrücke in Fachwerkform zwischen Neuschweizerthal und Diethensdorf (2009) Instandgesetzte Gitterkastenbrücke in Fachwerkform zwischen Neuschweizerthal und Diethensdorf (2009)


Auf diesem Radweg kann nun jedermann das landschaftlich so reizvolle Chemnitztal entdecken und genießen. Zwar lässt sich die Entdeckungsreise nicht mehr "bequem" in einem Eisenbahnwaggon realisieren aber zu Fuß, mit Inlinern oder mit dem Fahrrad ist der Chemnitztalradweg, gern auch mit einer kurzen Zwischenstation am Museumsbahnhof, eine lohnendes Ausflugsziel. An schönen Wochenenden sollte man jedoch etwas mehr Zeit einplanen, da das Chemnitztal dann sehr stark frequentiert ist. Fußgänger und Radfahrer müssen dann besonders Rücksicht aufeinander nehmen, damit alle gesund und erholt mit angenehmen Erinnerungen aus dem schönen Chemnitztal zurückkehren.

Chemnitztalradweg bei Markersdorf (2016) Chemnitztalradweg bei Markersdorf (2016)


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